Architektonisches Konzept
Die Straßen von Girlan sind gesäumt von den Häuserfassaden und Begrenzungsmauern der Weinhöfe. Wohngebäude wechseln hierbei mit großen „Behältergebäuden“ für den landwirtschaftlichen Bedarf ab. Manchmal sind diese unter einem Dach vereint, manchmal gruppieren sie sich auch um den Weinhof. Wenn man eines dieser großen „Behältergebäude“ (Stadel) betritt, wird man vom räumlichen Erlebnis beeindruckt. Der große offene Raum, mit Sicht bis zum Dach, wird von einem magischen Licht durchflutet. Durch die großen Öffnungen in den Wänden, welche teilweise durch einen losen Ziegelverband oder Bretterschalungen geschlossen sind, wird das Licht in Streifen und Lichtflächen gesiebt und trifft in einem starken Licht Schattenspiel auf die Boden- und Wandflächen des Raums. Diese großen Behältergebäude haben durch diese gefilterte Belichtung, die noch den Außenraum spüren lässt, nicht nur eine starke Beziehung zwischen Innen – und Außenraum, sie bilden auch den Übergang zwischen Oberwelt und Kellerwelt. In der historischen Weinproduktion liegt der Verarbeitungsvorgang der Trauben in der Oberwelt (im Weinhof und in den Kellerräumen über Erde) und der Reife – und Lagerungsvorgang in der unteren Kellerwelt. So gesehen ist zum Verständnis der Kellerwelten ein Verhältnis zur Oberwelt relevant.
Beim Projekt werden einige dieser ortstypischen Bauelemente aufgegriffen und bilden die wesentlichen Merkmale des neuen Eingangsgebäudes.
Das Thema der großen Behältergebäude und die Begrenzungsmauern mit direktem Bezug zum Straßenraum, ein Innenraum gedacht wie ein großer Innenhof auf den sich andere Funktionen öffnen und unter einem Dach vereint werden, der Übergang zwischen Außen- und Innenraum gegeben durch die Atmosphäre des Lichtspiels und der Bezug zwischen Oberwelt und Kellerwelt werden zu einer architektonischen Einheit zusammengefasst.
Dieses Konzept erscheint besonders angebracht, um einen Raum zu schaffen, der mit seiner Atmosphäre sowohl den Eingangsbereich zum Museum bildet, als auch dazu dient, die Besucher bereits auf die Ausstellungen einzustimmen und somit teil des Parcours wird.
Durch das äußere Erscheinungsbild vermittelt das Eingangsgebäude seine Funktion als Bindeglied zwischen Außen- und Innenraum und Oberwelt und Kellerwelt und wird zum Referenzpunkt im Dorf.
© Markus Scherer . Published on March 05, 2014.
Integration ins Ortsbild
Die zur Verfügung stehende Baufläche liegt optimal für den neuen Zugang des Vineum. Die Nähe zum Dorf, die Präsenz des Parkplatzes und die Anbindung an die öffentlichen Verkehrsmittel ist bereits eine perfekte Synergie. Auch die räumliche Disposition des Grundstückes hat optimale Voraussetzungen, sie fordert fast ein städtebauliches Eingreifen. Die engen Straßenzüge von Girlan weiten sich an dieser Stelle und lassen ein Eintreten der Landschaft in den Dorfraum zu. Ursprünglich waren es wohl die Weinreben, welche an dieser Stelle bis ins Dorf reichten, heute ist diese Fläche als Parkplatz und Park genutzt, sie schließt aber immer noch unmittelbar an die Reblandschaft an und langfristig könnte diese auch wieder eine stärkere Präsenz an dieser Stelle erhalten. In diesem Sinne gedacht, wird die Position des neuen Eingangsgebäudes zur Drehscheibe zwischen Oberwelt und Unterwelt aber auch zwischen Dorfraum und Landschaftsraum und kann den Ausgangspunkt für geführte Wanderungen durch die Weinberge darstellen. Ebenso kann es Startpunkt für eine Wanderung durch das Dorf und den hier vorhandenen Kellereibetrieben werden.
Die Geometrie des Gebäudes nimmt Bezug zu diesen Aspekten und zum bestehenden Wegenetz des Dorfes. Entlang der St. Martinstrasse begrenzt das neue Gebäude gleichzeitig den Straßenraum und greift in dieser Form die bestehende Bebauungslogik des Weindorfes Girlan auf. In Richtung Kreuzung der St. Martinstrasse mit der Eichamtstrasse entsteht durch die Positionierung des neuen Gebäudes eine für Girlan typische dörfliche Platzsituation. An der Süd-Ostseite öffnet sich das Gebäude zum heutigen Parkplatz und zu den Weinbergen im Hintergrund und spielt hier mit dem Thema der „großen Behälter“. An der Süd-Ostfassade befindet sich der Hauptzugang zum Vineum.
Die Verortung der Funktionen im neuen Gebäude nimmt Bezug auf diese städtebauliche Situation. Vom Haupteingang erreicht man den atmosphärischen Großraum der thematisch in das Thema der Kellerwelten einführt. Der Shop-Bereich öffnet sich auch zur Hauptzugangsseite. Zur Dorfseite öffnet sich das Gebäude nochmals (Platz an der St. Martinstrasse) und es ist ein Zugang zur Bar bzw. ein zweiter Zugang zum Vineum und zum Verkostungsbereich vorgesehen.
Die Form des Gebäudes und des Daches kann als rechteckige Grundform die sich in Richtung Dorf dreht verstanden werden. Diese Grundform wird durch das Straßennetz beschnitten. Entsprechend bleibt ein polygonaler Grundriss über, der den regelmäßig verlaufenden First in Richtung Dorfplatz beibehält – diese Anordnung des Firstes quer zum Straßen- bzw. Platzraum ist für Girlan ein weiteres markantes Merkmal. Das Dach hat zwei geneigte Flächen und nimmt in dieser Form Bezug auf das ortstypische, traditionelle Satteldach, wenn auch in einer zeitgemäßen Interpretation.
© Markus Scherer . Published on March 05, 2014.
Die beiden Eingangsbereiche zum Vineum werden durch Rücksprünge im polygonalen Körper hervorgehoben. Vor dem Haupteingang wird ein kleiner Freibereich geschaffen, der eine verkehrsfreie Zugangszone zum Vineum bildet. Angrenzend an diese wird der bestehende Parkplatz leicht abgeändert und terrassiert, um dem natürlichen Gelände zu folgen. Er erfüllt die vorgesehenen Vorgaben von 73 Stellplätzen, Haltebereich für einen Bus, sowie zahlreichen Fahrradabstellplätzen. In Zukunft könnte man an eine unterirdische Garage denken und an der Oberfläche die Reblandschaft wieder bis ins Dorf ziehen um den Grundgedanken einer direkten Verbindung zwischen Dorf und Landschaft zu stärken.
© Markus Scherer . Published on March 05, 2014.
Konzept für die Innenräume
Die Museumsbesucher welche mit Verkehrsmitteln wie Bus oder Auto anreisen und nicht aus dem Dorf selbst kommen, erreichen direkt den Haupteingangsbereich. Vom Haupteingang aus ist es bereits möglich in die zur Kellerwelt führende Treppe Einsicht zu nehmen und Lust auf den Besuch des Vineums zu wecken. Vom Haupteingang gelangt man in den „Großraum“ der als großzügiges Foyer dient und einen guten Überblick über das gesamte Gebäude bietet – alle Bereiche öffnen sich zu diesem (Zugang Vineum, Shop, Verkostung und Präsentation der Weinkellereien, Bar, Büros). Die Bereiche Kassa, Garderobe und Toiletten sind in das Foyer integriert. Für die Besucher, welche vom Dorf her kommen, gibt es die Möglichkeit, das Gebäude an der Westseite zu betreten. Von hier kann man auch von außen direkt die Bar betreten. Die Tische im Freibereich der Bar sind zum Platz hin orientiert und von dort gut sichtbar. Gleichzeitig sind sie windgeschützt und schauen Richtung Süden.
Vom Foyer aus kann man sich entweder dem Kauf eines Tickets und somit den unterirdischen Kellerwelten zuwenden, oder sich zum Bereich mit Shop und Bar begeben. Diese drei Bereiche sollen synergetisch eng zusammenspielen und sind nur durch mobile Elemente voneinander getrennt, sie können sowohl verstellt, umgestaltet, als im Bedarfsfall auch vollständig entfernt werden. Die Anordnung der Bereiche ist so gestaltet, dass Shop und Bar nicht nur während der Öffnungszeiten des Museums genutzt werden können, sondern auch unabhängig davon.
Vom Foyer aus erreicht man über eine Treppe, welche gegenüber dem Kassenbereich liegt, die Ebene, wo die Räumlichkeiten für die Verwaltung vorgesehen sind. Dort befinden sich verschiedene Büros, ein Besprechungsraum, die Teeküche, ein Ruheraum, sowie die sanitären Einrichtungen.
Der Hauptzugang vom Foyer zum Ausstellungsbereich erfolgt über die große, zentral gelegene Haupttreppe. Am unteren Ende der Treppe befindet sich der Eingang in das Herzstück der Ausstellung. Zu Beginn dieser unterirdisch angelegten Welt, befindet sich eine große Multimedia- Wand, welche mit ihrem interaktiven Inhalt die Besucherwege erläutert und gleichzeitig als Wegweiser für jene Besucher dient, welche vom Aufzug her kommen und eine Einführung gibt. Der Ausgang aus dem Vineum erfolgt ebenfalls auf dieser Treppe, am Podest teilt sich der Weg für den Besucher und führt ihn direkt zum Shop.
In den historischen Kellern werden ausschließlich der Erhaltung dienliche Baumaßnahmen vorgesehen. Böden und Wandflächen werden nur so wenig als möglich angegriffen, um die bestehende Atmosphäre der Keller nicht zu stören. Auch die Patina wird beibehalten. Wo unbedingt notwendig, werden Restaurierungen und Sanierungen der Flächen dem Bestand entsprechend, unter Verwendung natürlicher Baustoffe, durchgeführt. Die Stege (Rampen) zwischen den Kellern K5 und K6 ermöglichen einen Rundgang frei von architektonischen Barrieren und werden derart ausgeführt, dass sie die geringstmögliche Einflussnahme auf den Bestand haben und es wird darauf geachtet, die bestehende Bodenbeschaffenheit zu erhalten.
Die neuen Verbindungen zwischen den historischen Kellern greifen die Idee und das Konzept der Weinschläuche auf (siehe auch Ausstellungskonzept). Der runde, schlauchähnliche Querschnitt mit absolut glatter Fläche stellt einen architektonischen Gegenpol zu den historischen Kellern dar und vertritt in dieser Form die klare Vorgabe des Denkmalschutzes, nämlich eine klare Erkennbarkeit neuer Elemente und trotzdem eine spannende Dialogfähigkeit mit dem Bestand. Durch die kontinuierliche Krümmung kann der Besucher die Richtung zum nächsten Keller nicht gleich erkennen und dies erhöht die Erwartung auf den nächsten Kellerraum – die Neugierde des Besuchers wächst.
Bericht zur Ausstellungsgestaltung
Das Netz der Girlaner Weinkeller bildet ein Dorf unter dem Dorf. Es ist ein Abziehbild der Oberfläche, das sich unter den Straßen und Häusern unsichtbar ausdehnt. Die sonnige, grüne, offene und vielstimmige Oberfläche Girlans findet seinen Kontrast in den kühlen, dunklen, feuchten und geborgenen Kellern. Geht man durch das Weindorf, bekommt man von dieser Unterwelt nur wenig mit.
Eine kühle Brise aus einem Kellerabgang, der Geruch nach Erde, altem Holz und Mauerwerk verflüchtigt sich mit dem nächsten Sonnenstrahl. Geblendet von der Helligkeit der Oberfläche sieht das Auge, sucht es die Quelle des Geruchs, höchstens ein schwarzes, in scheinbar endlose Tiefen führendes Loch. Die kühle Brise, das Dunkle und Geheimnisvolle dieser Unterwelt entwickelt eine magische Anziehungskraft, die von längst vergangenen Zeiten kündet.
Die Überlieferung einer uralten Weinbautradition, das Leben und die Arbeit vergangener Generationen, die Wünsche und Sehnsüchte der Weinbauern, der Weingenießer und Weinexperten, der Charakter des Dorfes und der Weine, die es hervorbringt, all das atmen die Wände der nun verlassenen Keller. Unter der Oberfläche haben sie das Leben des Dorfes über Jahrhunderte geprägt. Ein Gang durch die Weinkeller Girlans ist ein Gang durch das kollektive Gedächtnis des Dorfes.